Verdachtsfall AfD: Was ist rechts und was ist rechtsextrem?

Die AfD wird seit einiger Zeit vom Verfassungsschutz als sogenannter „Verdachtsfall“ beobachtet. Das bedeutet, dass Teile der Partei im Verdacht stehen, rechtsextreme Positionen zu vertreten oder rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten. Aber was genau heißt das eigentlich? Und wie unterscheiden wir zwischen „rechts“ und „rechtsextrem“? Ein Blick auf die politischen Realitäten – insbesondere im Osten Deutschlands – zeigt, dass die Antworten nicht so einfach sind, wie man denken könnte.

Was bedeutet „rechts“?

„Rechts“ steht in der politischen Landschaft für eine konservative bis nationalkonservative Haltung. Das bedeutet in der Regel, dass eine Partei oder ein Politiker traditionelle Werte hochhält, oft für eine starke nationale Identität eintritt und eine skeptische Haltung gegenüber zu viel staatlichem Einfluss oder internationalen Organisationen wie der EU einnimmt. Auch Forderungen nach einem restriktiveren Umgang mit Einwanderung sind Teil vieler rechter Positionen. Diese Ansichten sind in einer Demokratie legitim, solange sie die Grundrechte anderer nicht infrage stellen.

Und was ist „rechtsextrem“?

Hier wird es kritisch: Rechtsextreme Positionen gehen über den demokratischen Diskurs hinaus. Sie zielen oft darauf ab, demokratische Grundprinzipien wie die Gleichheit aller Menschen infrage zu stellen. Sie grenzen bestimmte Bevölkerungsgruppen systematisch aus, verachten die freiheitliche demokratische Grundordnung und fordern zum Teil sogar die Abschaffung des demokratischen Systems. Auch die Gewaltbereitschaft ist bei Rechtsextremen keine Seltenheit – hier zeigt sich, dass die Grenze zwischen „rechts“ und „rechtsextrem“ in der Praxis oft unscharf ist, in der Theorie jedoch klar definiert sein sollte.

Warum der Osten so anders wählt

In Ostdeutschland ist die AfD vielerorts die stärkste Kraft, und das sorgt immer wieder für Stirnrunzeln in den westlichen Bundesländern. Doch nicht jeder, der die AfD wählt, tut dies aus rechtsextremen Überzeugungen. Es gibt viele Gründe, warum die AfD im Osten so stark ist: Frustration über die etablierten Parteien, ein Gefühl des Abgehängtseins, das Nachhallen von DDR-Erfahrungen oder eine grundsätzliche Skepsis gegenüber westlichen Eliten.

In vielen ostdeutschen Regionen fühlen sich die Menschen von den großen Parteien nicht mehr repräsentiert. Die AfD bedient hier das Gefühl, dass die Sorgen der Bürger – ob wirtschaftlicher oder kultureller Natur – nicht ernst genommen werden. Hinzu kommt, dass Themen wie Einwanderung und Globalisierung, die die AfD kritisch anspricht, im Osten teils anders wahrgenommen werden als im Westen. Dass daraus jedoch pauschal rechtsextreme Einstellungen resultieren, ist eine zu einfache Erklärung. Viele Ostdeutsche, die die AfD wählen, lehnen rechtsextreme Positionen ausdrücklich ab.

AfD – Protest oder Überzeugung?

Ein großer Teil der AfD-Wählerschaft ist wohl eher aus Protest gegen die etablierten Parteien und weniger aus einer rechtsextremen Überzeugung heraus aktiv. Viele wählen die AfD nicht wegen, sondern trotz ihrer rechtsextremen Tendenzen, weil sie sich eine Politik des „Aufrüttelns“ wünschen. Aber genau hier wird es problematisch: Wenn eine Partei, die immer wieder rechtsextreme Rhetorik verwendet, als legitime Protestpartei wahrgenommen wird, verharmlosen wir potenziell die Gefahr, die von solchen Positionen ausgehen kann.

Nicht alle Ostdeutschen wählen die AfD

Auch wenn die AfD bei den letzten Landtagswahlen in Brandenburg und anderen ostdeutschen Bundesländern beachtliche Erfolge gefeiert hat, darf man nicht den Fehler machen, alle Wähler in diesen Regionen als rechtsextrem oder AfD-Sympathisanten zu betrachten. Bei der letzten Landtagswahl in Brandenburg beispielsweise, die im September 2019 stattfand, hat die AfD zwar ein beachtliches Ergebnis von rund 23,5 % eingefahren, aber das bedeutet auch, dass mehr als drei Viertel der Wähler andere Parteien bevorzugt haben.

Die größte Gruppe, die mit 26,2 % die meisten Stimmen erhalten hat, war immer noch die SPD, gefolgt von anderen demokratischen Parteien wie der CDU, den Grünen und den Linken. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass es in Brandenburg – wie auch in anderen Teilen Ostdeutschlands – eine klare Mehrheit gibt, die sich gegen die AfD und ihre rechtsextremen Positionen stellt. Viele Menschen, insbesondere in urbanen Zentren wie Potsdam, haben eine klare Haltung gegen rechtsextremes Gedankengut und unterstützen demokratische Parteien.

Das Bild ist komplexer

Es wäre ein großer Fehler, Ostdeutschland als pauschal „AfD-verseucht“ abzustempeln. Viele Bürgerinnen und Bürger im Osten sind genauso besorgt über die rechtsextremen Tendenzen der AfD wie Menschen in Westdeutschland. Besonders jüngere Generationen, die nach der Wende aufgewachsen sind, engagieren sich in zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Extremismus und setzen sich aktiv für eine offene und demokratische Gesellschaft ein.

Dass die AfD in manchen Regionen so stark abschneidet, hat oft auch viel mit den besonderen wirtschaftlichen und sozialen Umständen zu tun. Viele Wählerinnen und Wähler fühlen sich von den etablierten Parteien im Stich gelassen, besonders in ländlichen Gebieten, wo die wirtschaftlichen Perspektiven oft schlechter sind als in den Großstädten. Das Gefühl des Abgehängtseins führt viele Menschen dazu, aus Frust zu wählen – was aber nicht automatisch bedeutet, dass sie die rechtsextreme Ideologie der AfD unterstützen.

Brandenburg und der Osten sind bunt

In Brandenburg und anderen ostdeutschen Bundesländern gibt es eine lange Tradition von Widerstand gegen rechte Ideologien. Viele erinnern sich noch gut an die friedliche Revolution von 1989, als Ostdeutsche für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen sind. Diese Werte sind auch heute für viele Menschen dort entscheidend. Organisationen wie „Bündnis 90/Die Grünen“, „Die Linke“ und auch zivilgesellschaftliche Gruppen setzen sich aktiv gegen Rassismus und Rechtsextremismus ein. Es gibt eine lebendige Protestkultur, die zeigt, dass der Osten Deutschlands weitaus vielfältiger ist, als es das Wahlergebnis der AfD manchmal suggeriert.

Besonders in Städten wie Leipzig, Dresden oder Erfurt gibt es eine starke und wachsende Bewegung gegen Rechtsextremismus, die nicht nur von Politikern, sondern auch von vielen Bürgern getragen wird. Sie zeigen, dass Ostdeutschland nicht nur AfD-Hochburgen ist, sondern auch Orte, an denen sich viele Menschen klar gegen rechte Ideologien positionieren.

Ostdeutschland ist vielschichtig

Die Wahlen in Brandenburg und anderen Teilen Ostdeutschlands haben gezeigt, dass die AfD in bestimmten Regionen Erfolge verzeichnen kann, aber das bedeutet nicht, dass die Mehrheit der Ostdeutschen mit ihren rechtsextremen Positionen übereinstimmt. Es gibt eine Vielzahl von politischen Meinungen und eine starke demokratische Basis, die sich gegen rechtsextreme Tendenzen wehrt.

Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist nicht nur eine Frage der Politik, sondern auch der gesellschaftlichen Verantwortung. Die Menschen in Ostdeutschland sind genauso vielfältig, kritisch und engagiert wie in anderen Teilen des Landes, und viele von ihnen setzen sich aktiv gegen den Einfluss der AfD und für eine gerechtere Gesellschaft ein.

Gegenargumentation: „Alle Ossis sind rechts“ oder „jammernde Ossis“ – Warum diese Vorurteile falsch sind

Immer wieder tauchen in der öffentlichen Debatte pauschale Aussagen wie „Alle Ossis sind rechts“ oder „Die Ossis jammern nur“ auf. Diese Vorurteile sind nicht nur ungerecht, sondern auch falsch. Sie ignorieren die vielfältigen Lebensrealitäten in Ostdeutschland und tragen dazu bei, die Gesellschaft weiter zu spalten. Hier sind einige Gegenargumente, die zeigen, warum solche Pauschalisierungen der Realität nicht gerecht werden.

Nicht alle Ostdeutschen wählen die AfD

Eines der hartnäckigsten Vorurteile ist, dass alle Ostdeutschen rechts seien, weil die AfD in einigen Bundesländern hohe Wahlergebnisse erzielt. Aber das ist schlichtweg nicht korrekt. Bei den letzten Wahlen in Ostdeutschland haben die meisten Wählerinnen und Wähler demokratische Parteien gewählt. Zum Beispiel erzielte die SPD bei der Landtagswahl in Brandenburg 2019 mehr Stimmen als die AfD, und auch Parteien wie die Grünen und die Linke schnitten gut ab. In urbanen Zentren wie Leipzig, Potsdam oder Dresden gibt es eine starke linke und liberale Wählerschaft.

Dass die AfD in ländlichen Regionen stärker vertreten ist, hat oft mehr mit Protest als mit ideologischer Zustimmung zu tun. Viele Menschen fühlen sich von den etablierten Parteien nicht mehr ernst genommen oder haben das Gefühl, dass ihre Sorgen übersehen werden. Diese Frustration führt jedoch nicht zwangsläufig zu einer grundsätzlichen rechten Gesinnung. Viele Wählerinnen und Wähler sehen die AfD als Protestpartei und nicht als langfristige politische Überzeugung.

Ostdeutschland hat eine starke demokratische Tradition

Die Vorstellung, dass Ostdeutsche eine schwache Bindung an demokratische Werte haben, ist ebenfalls ein Mythos. Man darf nicht vergessen, dass es die Ostdeutschen waren, die 1989 die friedliche Revolution auf die Straße brachten und damit den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung möglich machten. Das war ein mutiger, demokratischer Akt, der aus dem Wunsch nach Freiheit, Gleichheit und politischer Mitsprache geboren wurde.

Auch heute noch gibt es in Ostdeutschland zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie einsetzen. Organisationen wie „Aufstehen gegen Rassismus“, Bürgerbündnisse wie „Dresden Nazifrei“ oder die vielen Gedenkveranstaltungen in Ostdeutschland zeigen, dass die demokratische Kultur dort tief verwurzelt ist. Der Osten ist also keineswegs nur ein Hort für rechte Gedanken, sondern auch ein Ort des Widerstands gegen diese Tendenzen.

Wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten erklären Protestwahlen

Ein weiterer Aspekt, der oft übersehen wird, ist die wirtschaftliche und soziale Lage vieler Menschen im Osten. Nach der Wende durchliefen die ostdeutschen Bundesländer eine beispiellose Transformation, die mit massiven Brüchen verbunden war: Betriebe wurden geschlossen, Arbeitslosigkeit stieg rapide an, und viele Menschen mussten ihre Heimat verlassen, um im Westen Arbeit zu finden. Diese Erfahrungen haben bis heute Spuren hinterlassen und führen in einigen Regionen zu einem Gefühl des Abgehängtseins.

Wenn also von „jammernden Ossis“ gesprochen wird, wird die jahrzehntelange Benachteiligung vieler Menschen völlig außer Acht gelassen. Es ist keine „Jammerei“, sondern die berechtigte Kritik an einer Politik, die über viele Jahre hinweg nicht genug dafür getan hat, wirtschaftliche Chancen und soziale Gerechtigkeit im Osten zu stärken. Anstatt diese Probleme zu adressieren, werden sie häufig abgetan, was den Frust vieler Menschen nur noch weiter verstärkt.

Der Osten ist vielfältig – kulturell und politisch

Es gibt kein „monolithisches“ Ostdeutschland. Genauso wenig, wie man alle Westdeutschen über einen Kamm scheren kann, ist es unfair, alle Ostdeutschen in eine Schublade zu stecken. In den letzten Jahrzehnten haben sich ostdeutsche Städte zu kulturellen und politischen Hotspots entwickelt. Orte wie Leipzig, Dresden und Erfurt sind heute kulturelle und akademische Zentren mit einer lebendigen alternativen Szene. Künstler, Aktivisten, Wissenschaftler und Start-ups prägen das Bild des modernen Ostens.

Politisch gesehen gibt es im Osten eine genauso große Bandbreite an Meinungen und Positionen wie im Westen. Von konservativ über sozialdemokratisch bis hin zu ökologisch-progressiv – die politischen Präferenzen sind vielfältig und hängen oft stark von der Region, der Generation und den persönlichen Erfahrungen ab.

Generalisierungen schaffen unnötige Gräben

Pauschale Urteile wie „alle Ossis sind rechts“ oder „die jammern nur“ tragen nur dazu bei, die ohnehin bestehenden Spannungen zwischen Ost und West zu verstärken. Anstatt sich auf diese Vorurteile zu stützen, sollte die Gesellschaft in einen echten Dialog treten, um zu verstehen, warum bestimmte Gruppen so wählen, wie sie es tun, und welche konkreten Herausforderungen sie beschäftigen. Nur durch einen solchen respektvollen Austausch kann eine Spaltung der Gesellschaft verhindert werden.

Die Gleichsetzung von Ostdeutschland mit Rechtsruck und „Jammerei“ ignoriert die vielfältigen Stimmen und Perspektiven der Region. Viele Menschen in Ostdeutschland kämpfen aktiv für eine gerechtere, offene und pluralistische Gesellschaft. Anstatt sie pauschal abzuwerten, sollten wir ihre Erfahrungen und Anliegen ernst nehmen und gemeinsam Lösungen für die bestehenden Probleme finden.

Der Osten ist mehr als nur AfD

Zusammengefasst ist es falsch und ungerecht, alle Ostdeutschen als „rechts“ oder „jammernd“ zu bezeichnen. Die politische und soziale Realität in Ostdeutschland ist deutlich komplexer und vielfältiger, als es solche Vorurteile suggerieren. Statt uns von Pauschalisierungen leiten zu lassen, sollten wir uns bemühen, die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten im Osten zu verstehen – und damit auch einen konstruktiven Beitrag zur Überwindung der bestehenden gesellschaftlichen Gräben leisten.

Fazit: Wo stehen wir?

Die Einstufung der AfD als „Verdachtsfall“ zeigt, dass Teile der Partei auf einem schmalen Grat zwischen demokratischem Konservatismus und rechtsextremen Tendenzen wandeln. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass jeder AfD-Wähler rechtsextreme Ansichten teilt. Insbesondere in Ostdeutschland gibt es zahlreiche Wähler, die aus Frust und Protest zur AfD greifen.

Die Herausforderung besteht darin, klar zu benennen, wo die Grenze zwischen berechtigter Kritik an der Politik und dem Abrutschen in rechtsextreme Gefilde verläuft. Demokratie lebt von Meinungsvielfalt, aber sie braucht auch klare Grenzen, um sich gegen Extremismus – egal von welcher Seite – zu verteidigen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Debatte um die AfD nicht dazu führt, dass alle Wähler der Partei unter Generalverdacht gestellt werden. Ebenso wichtig ist es aber, wachsam zu bleiben und rechtsextreme Tendenzen innerhalb der Partei konsequent zu kritisieren und zu bekämpfen. Denn die Demokratie kann nur dann stark bleiben, wenn sie sich ihrer Feinde bewusst ist – ohne dabei den Dialog mit denjenigen zu verlieren, die sich von ihr abgewendet haben.

Letzte Bearbeitung am Donnerstag, 26. September 2024 – 10:56 Uhr von Alex, Webmaster für Google und Bing SEO.